Was bedeutet Storytelling?
Storytelling ist ursprünglich ein Filmbegriff, den andere Branchen wie Marketing, Psychologie und Journalismus für sich entdeckt haben.
Kein Wunder, denn darin steckt etwas universal Menschliches, das eine unwiderstehliche Faszination auf uns alle ausübt: die Kraft einer gut erzählten Geschichte.
Durch den Storytelling-Boom in diesen vielen Disziplinen ist der Begriff aber auch zum Buzzword geworden, das einem von Deutschland bis Amerika um die Ohren fliegt, wenn man mit kreativem Schreiben und Content Marketing zu tun hat.
Dabei bekommt man leicht das Gefühl, dass viele Storytelling als coolen Teaser für alles Mögliche gebrauchen, ohne wirklich zu wissen, was damit gemeint ist. Surf mal fünf Minuten durchs Netz und du findest Hunderte Definitionen von “emotionales Verkaufen” über “Methode zum Übermitteln von Informationen an Kunden” bis hin zu “die Kunst, eine wirklich gute Geschichte zu erzählen”.
Storytelling ist mehr als ein Buzzword
So schwammig sie sind: Die meisten Definitionen von Storytelling haben durchaus ihre Berechtigung. Schließlich durchläuft jeder Konzeptbegriff eine Wandlung, je nachdem in welcher Disziplin er gerade Anwendung findet und welches Bedürfnis die Anwender*in hat.
Meine Definition von Storytelling speist sich deshalb aus den Gelegenheiten, bei denen ich Storytelling genutzt habe – a) als Autorin, beim Schreiben und Pitchen meiner Geschichten b) als Werbetexterin und Media Creator, c) als Filmemacherin und E-Learning-Konzepterin in der Medienpädagogik.
Storytelling – antikes Konzept in jugendlichem Gewand
So in etwa die moderne Definition von Storytelling. Aber natürlich ist das, was dahinter steckt, viel, viel älter. Schon in der Antike wurde die kathartische Kraft des Geschichtenerzählens genutzt. Heißt: Durch Geschichten erleben wir etwas fiktiv und dennoch hautnah und beobachten dabei nicht nur das Gezeigte, Gelesene, sondern machen eine eigene Wandlung durch. Geschichten bewegen und verändern. Früher. Heute. Und in Zukunft. Darin liegt ihre unbändige Kraft. Sie sind mehr als Entertainment.
Das wussten nicht nur Aristoteles und seine griechischen Dramatiker. Damals war das Theater quasi Psychotherapie fürs Volk. Wer die Höhen und Tiefen einer antiken Tragödie oder Komödie miterlebte, ging geläutert nach Hause und hatte unterbewusst eine Menge gelernt.
Etwa 2.000 Jahre später brachte Goethe seinen “Werther” raus. Der Roman über einen unglücklichen Verliebten stürzte zahlreiche junge Männer in der “echten Welt” ins Verderben.
Wieder 200 Jahre drauf eröffnete George Lucas mit “Star Wars” ein Story-Universum, das Millionen Fans über Generationen begeisterte und es bis heute tut.
Aber Storytelling meint heutzutage nicht nur das klassische Geschichtenerzählen, das eine*n klare*n Held*in hat oder einer bewussten dramaturgischen Struktur folgt.
Fridays for Future, Microsoft, soziale Medien und Veganismus – hinter jedem Aktivismus, jedem einflussreichen Unternehmen und jedem durchsetzungsstarken Konzept steht eine Geschichte, die viele Menschen begeistern kann. Unzählige Branchen von Instagram bis hin zu Software Development nutzen das Wort “Story” heute in unterschiedlichsten Formen. Ihnen allen gemein ist: “Story” meint immer Kommunikation, das Festhalten bestimmter Inhalte, Emotionen, Atmosphären, Meinungen in Bildern und Worten von eine*r Sender*in für eine Empfänger*in. Ein ganz zentraler Effekt ist dabei das Gestalten von Gemeinschaft.
Je mehr Gemeinschaft eine Geschichte kreieren kann, umso erfolgreicher ist sie. Spätestens seit dem Einzug der sozialen Medien sind dabei die Grenzen zwischen Story und Marketing, zwischen Content und Werbung verwischt. Als Geschichtenerzähler*in kann man das bejammern – oder sich zunutze machen.
Storytelling heute: Einfacher und komplexer denn je
Fakt ist: Storytelling ist heutzutage einfacher denn je und gleichzeitig komplexer denn je. Einfacher, weil wir alle die Möglichkeit haben, unsere Geschichten auf unterschiedlichsten Wegen an ein Publikum zu bringen. Komplexer aus genau demselben Grund – mehr Möglichkeiten, mehr Medien bedeutet mehr Entscheidungen und auch mehr Angebot. Das wiederum heißt: mehr Wettbewerb.
Ich persönlich freue mich darüber, dass wir mit dem digitalen Zeitalter viele wunderbare Möglichkeiten des Geschichtenerzählens dazu gewonnen haben. Als Cross-Media-Fan konsumiere ich gerne Geschichten auf verschiedenen Kanälen und versuche auch, in meine eigenen Storys spielerisch mehrere Kanäle einzubringen.
Aber natürlich kenne ich das auch: Manchmal erschlägt einen die Wucht der medialen Angebote förmlich und man würde lieber den Kopf in den Sand stecken und zurück zur Lagerfeuerromantik flüchten, als sich in diesem Meer aus Geschichten irgendwie zu positionieren.
Wenn das passiert, erinnere ich mich an einen wichtigen Grundsatz, den ich irgendwo aufgeschnappt habe: Bleib bei deiner Geschichte. Konzentrier dich auf das Wesentliche. Schreib mit Herz und Verstand. Und erst DANN schau nach rechts und links.
Multimediales, transmediales und crossmediales Storytelling
Ein ganz fantastischer Effekt digitaler Medien ist, dass wir Geschichten heute über mehr Kanäle als je zuvor erzählen können: multimedial, crossmedial oder transmedial. Aber was heißt das eigentlich genau?
Auch hier gibt es nicht die eine Definition, die für alle gilt. Das liegt auch daran, dass sich Medienformate so schnell ändern. Man kann aber durchaus ein paar eindeutige Unterschiede festmachen:
- Multimediales Erzählen
Multimediales Erzählen bedeutet, dass verschiedene Medienarten auf einer Plattform konsumiert werden können. Internetplattformen sind in der Regel multimedial: Sie bieten neben statischen Bildern und Texten oft auch Videos und Audio-Elemente. Multimedial erzählt wird oft auch in Museen. Die Interaktivität steht hier im Vordergrund. Beim multimedialen Erzählen ergänzen sich die einzelnen Medienelemente, heißt eine Geschichte wird über ein Gesamtkunstwerk aus Text, Bild, Animation etc. abgebildet. Dabei müssen die einzelnen Elemente nicht chronologisch aufeinander aufbauen. - Crossmediales Erzählen
Das crossmediale Erzählen meint: Eine Geschichte oder ein Storyuniversum wird über verschiedene Medienkanäle vernetzt erzählt. Die einzelnen Bestandteile der Geschichte hängen zwingend zusammen und werden chronologisch erzählt. Als Zuschauer*in versteht man die Story nur dann, wenn man sie auf den unterschiedlichen Wegen verfolgt. Ein Beispiel für crossmediales Erzählen sind Reality Games, die Fiktion und Realität über interaktive Elemente verbinden. Aber auch im Marketing wird crossmedial erzählt, zum Beispiel, wenn ein Blogpost auf Facebook angeteasert wird. - Transmediales Erzählen
Das transmediale Erzählen funktioniert ähnlich wie crossmediales Erzählen.
Auch hier gibt es verschiedene Kanäle, auf denen eine Story erzählt wird. Der Unterschied ist allerdings, dass beim transmedialen Erzählen die Inhalte nicht unbedingt chronologisch zusammenhängen müssen. Bestenfalls ergibt jedes Element der Storyworld für sich Sinn und kann auch ohne die anderen Kanäle verstanden werden. Das Paradebeispiel ist Star Wars: Filme, Bücher und Comics stammen aus ein- und demselben Storyuniversum und bieten Referenzen zueinander. Aber jede der einzelnen Geschichten kann für sich alleine stehen.
Was bedeutet Storytelling für dich? Sinnentleertes Buzzword oder nützliches Tool zum kreativen Schreiben und Vermarkten? Und was hälst du von cross-, trans- und multimedialem Storytelling? Schreib’ mir in den Kommentaren!